Ich finde es ja großartig, dass derzeit so ausgiebig über den guten alten Zivildienst debattiert wird. Dass sich momentan gerade die sogenannte Sozialdemokratische Partei Deutschlands für den Zivildienst bzw. gegen dessen Verkürzung ausspricht, verwundert mich schon sehr. Dass der Wehrersatzdienst mittlerweile kaum mehr wegzudenken ist, um viele soziale Bereiche am Leben zu erhalten, mag ja schön und gut sein. Doch wer vollbringt eigentlich diese ganzen Arbeiten?
Ich selber gehörte zu der Minderheit meines Jahrgangs, die überhaupt den Dienst ableisten mussten. Ich kenne ehrlich gesagt keinen anderen in meiner Altersgruppe aus meinem Heimatdorf, der entweder zur Bundeswehr gegangen ist oder aber den Zivi abgeleistet hat. Auf der Zivi-Schule in Geretsried wurde ich darüber aufgeklärt, dass vielleicht ein Drittel eines männlichen Jahrganges überhaupt noch einberufen wurde – unter anderem deswegen, weil der Zivildienst an den Dienst an der Waffe gekoppelt ist; schließlich heißt er ja auch Wehrersatzdienst.
Was hat das bitte noch mit Gerechtigkeit zu tun? Meiner Meinung nach war/ist die gängige Einberufungspraxis reine Willkür und mit Freiheitsberaubung gleichzusetzen. Zivildienstleistende sind billige Arbeitskräfte, die teilweise Arbeiten machen, für die sich kaum ein Freiwilliger sonst finden würde. Ich will (und darf) an dieser Stelle nicht erzählen, was ich als Zivi in der individuellen Schwerstbehindertenbetreuung und im mobilen sozialen Hilfsdienst so alles miterlebt habe: aber das ging teilweise schon deutlich unter die Gürtellinie.
Wenn schon Freiheitsberaubung von „ganz oben“, dann doch bitte für ALLE und JEDE. Das wäre mal ein innovativer Ansatz, der allen weiter helfen würde: warum führt man nicht ein komplettes soziales Jahr ein, das sowohl Jungs als auch Mädchen absolvieren müssen? Das hätte gleich mehrere positive Effekte: auf einen Schlag noch mehr Menschen, die im sozialen Sektor arbeiten als auch sehr wichtige soziale Praxiserfahrung für junge Menschen; Austausch zwischen Jung und Alt, was die Gesellschaft über Generationen hinweg zusammen schweißen würde.
Doch da würden sicher wieder irgendwelche Wirtschaftler dazwischen rufen, die auch tolle Sachen wie den Bologna-Prozess vorangetrieben haben. Doch die könnte man ja endlich einfach mal schreien lassen. Gleichzeitig fände ich es gerecht, wenn der Stundensatz etwas angehoben würde – ein „Stundenlohn“ von nicht einmal zwei Euro ist schon etwas diskriminierend. Aber mit jungen Zivis kann man es ja machen – die haben keine große Lobby hinter sich und haben selber kaum Lebenserfahrung außerhalb von Schule und Elternhaus.
Ich wünschte mir, dass es endlich auch mal Politiker gäbe, die diesen Missstand offen aussprechen und nicht scheinheilig mal dies, mal jenes propagieren. Der Zivildienst muss endlich weg, ein soziales Jahr für alle muss her.
Deinen Gedanken, ein allgemeines Sozialesjahr einzuführen finde ich gut. Finde ich fair und ein weiterer Schritt zur Gleichberechtigung. Doch an dem Gedanken, dass die Vergütung hoch gesetzt werden müsste, kann ich mich nicht beteiligen. Wenn man deinen Gedanken weiter ausführt, müsste man auch an der Ausbildungsvergütung arbeiten. Vielleicht nicht an den ersten beiden Lehrjahren. Aber spätestens ab dem dritten. Wo die Lehrlinge jegliche Arbeit vollrichten, die auch eine Vollkraft vollzieht. Arbeit macht, für die sich auch kein anderer findet lässt. Was auch unter die Gürtellinie gehen kann.
Dazu haben sie eine große Lobby, die hinter ihnen steht und trotzdem werden die Ausbildungsvergütungen nicht hoch gesetzt.
MfG
darki
Hi Darki,
danke für Deinen ausführlichen Kommentar; aber was spräche denn dagegen, wenn der „Stundelohn“ bei -sagen wir mal- fünf Euro liegen würde? Das wäre immer noch deutlich niedriger als das, was Mitarbeiter in dem Bereich so bekommen – damals vor fünf Jahren an die zehn Euro, soweit ich weiß…
An sich spricht da nichts dagegen. Ich kann auch nachvollziehen, warum und weshalb. Aber wie gesagt. Dann muss man zwei Schritte weiter denken und das auf andere überschappen lassen, die in der selben Situationen sind. Um zu verhindern, dass es heißt „Warum die, aber wie nicht?!“.
MfG
darki
Deine gedanken finde ich sehr gut! Ja, es würde KEINEM schaden für ein Jahr oder so zum Dienst an der Gemeinschaft (sag ich jetzt mal so…) herangezogen zu werden. Ein besseres Verständnis für ältere oder kranke Mitmenschen wäre nur ein positiver Aspekt solcher Arbeit.
Also dein Gejammer über die heute lächerlich kurzen Dienstzeiten im Zivildienst empfinde ich fast schon lächerlich. Ich gehöre noch zur Zivi-Generation die Ende der 80er 20 Monate Dienst leisten durften! 5 Monate länger als die Wehrdienstler weil die Regierung Kohl damals meinte das müße so sein da die Wehrdienslter ja zu Wehrübungen einberufen werden würden. Ich kenne in meinen Bekanntenkreis nur einen Wehrdienstler der einmal eine Woche zur Wehrübung durfte?! Trotz eindeutigen Verstoß gegen das Grundgesetz der Gleichberechtigung wurde vom Bundesverfassungsgericht diese gesetzliche Regelung durchgewunken. Ob es wohl an den Parteibüchern der obersten Richter damals lag? War schon komisch das 4 der Ja-Sager ein schwarzes bzw. gelbes Partiebuch hatten und die 3 Gegenstimmen rot waren?
Und in der Praxis ist es wohl auch noch heute nicht anders, das ohne Zivis in vielen sozialen Bereichen gar nichts mehr ginge. Dein aufgegriffener Gedanke über eine generelles soziales Jahr würde ich auf jeden Fall befürworten. Dies würde auch viel eher meinem persönlichen Gleichheitsempfinden entsprechen. Gerade der soziale Standpunkt läßt bei manch jüngeren immer öfter zu wünschen über. Durch eine soziales Jahr sind hier sicherlich Änderungen in der Denkweise und im Umgang mit Mitmenschen realistisch.
Hi Bernd,
danke für den ausführlichen Kommentar; ich habe gar nicht über die Zivizeit gejammert, sondern zur Disposition gestellt, ob diese Einberufungspolitik in der Form gerecht ist? Warum werden manche zum Dienst einberufen, die meisten aber nicht? Für mich ist das Willkür – ich hätte selber auch ohne Probleme 12 Monate Zivi abgeleistet und gelernt habe ich während meines Zivildienstes auch sehr viel.
Der soziale Standpunkt lässt übrigens nicht nur bei den Jüngeren zu wünschen übrig: das Problem ist doch, dass „soziale Berufe“ in der Gesellschaft generell nicht den Stellenwert besitzen, den sie eigentlich haben sollten