Neulich fand sich auf sueddeutsche.de einmal wieder ein lesenwerter Artikel in Bezug auf das allseits beliebte Bachelor-Studium und die Konsequenzen seit dessen Einführung in das einstmals so mustergültige Bildungssystem in Deutschland. Ich hatte ja anno dazumal selber die Gelegenheit, mich als angehender Bachelor im Fach Komparatistik zu üben, was ich nach nur wenigen Monaten aus diversen Gründen wieder bleiben ließ.
Leistungsdichte im Bachelor-Studium
Schon vor einigen Jahren fiel mir die unheimliche Leistungsdichte in diesen sogenannten „Modulen“ auf; wer sich finanziell nicht auf den Rücken der Eltern ausruhen kann und sonst auch keine finanzielle Unterstützung erhält, der hat es mehr als schwer, wenn er in einem Bachelor-Studium landet – und das war vor Jahren schon so. Dabei ist es ein offenes Geheimnis, dass mittlerweile die Mehrheit der Studenten jobben muss (!).
Wie dem auch sei: eine Folge des meiner Meinung nach krankmachenden Leistungsdrucks (nicht nur an deutschen Hochschulen) ist, dass viele Dinge zu kurz kommen. Hierzu zähle ich u.a.:
– Ausgiebige Reisen, die auch mal länger als zwei Wochen dauern dürfen; aber welcher Student kann es sich heutzutage noch erlauben, mal vier oder gar sechs Wochen „adé“ zu sagen und Länder intensiver zu erkunden? Es müssen ja nicht gleich so exotische Reiseziele wie etwa die Malediven im Indischen Ozean sein; eine längere Interrail-Tour quer durch Europa würde es ja auch schon tun und ist zudem ökologisch unbedenklicher.
Meine Interrail-Tour vor fast zehn Jahren führte mich auch quer durch Frankreich und auch die Hauptstadt Paris: hier die Kathedrale Notre-Dame.
– Längere Studienaufenthalte im Ausland. Darauf zielte ja auch der Beitrag auf sueddeutsche.de ab: nach dem mittlerweile auf acht Jahre verkürzten Abitur, geraten viele Studenten nach einem 3-4 jährigen Bachelor-„Studium“ schon mit Anfang 20 „in die Mühle“, ohne dass sie großartig nach links oder rechts schauen konnten.
Für eine möglichst perfekten Lebenslauf zählen vor allem die Ansammlung toller Noten, bestenfalls kostenlos absolvierter Praktika oder auch hervorragende Fremdsprachenkenntnisse, die möglichst während des Studiums erlernt wurden. Dabei soll dann noch möglichst schnell das Studium abgeschlossen werden, und ein längerer Aufenthalt im Ausland bleibt dann für viele absolutes Wunschdenken.
– Hineinschnuppern in andere Bereiche: wer heutzutage in einem Bachelor-Studium landet, der hat kaum mehr die Zeit und die Möglichkeit, sich fachfremde Bereiche anzusehen, was aber durchaus gewinnbringend für den eigenen Fachbereich sein könnte.
Austausch zwischen Natur- und Geisteswissenschaftlern
Geisteswissenschaftler könnten etwa durch die oftmals exaktere Herangehensweise der Naturwissenschaftler profitieren; auf der anderen Seite könnten die Naturwissenschaftler von Geisteswissenschaftlern lernen, dass sie ebenfalls nur bestimmte Perspektiven zu ihren Gegenständen einnehmen, die nicht unbedingt als absolut und alleingültig angesehen dürfen.
Was scheinbar ebenfalls an allen Ecken und Enden zugenommen hat, ist die latente Zukunftsangst, die viele Menschen blockiert und unsicher werden lässt. Dass ausgerechnet in einem so wohlhabenden Land wie Deutschland die Angst so dominant ist, verwundert zunächst. Doch bei einem genaueren Blick erscheint es mir durchaus logisch, dass von verschiedenen Interessengruppen die Angst bei den Bürgern geschürt wird; das macht die Menschen lenkbar, manipulierbar.
Ich kenne jedenfalls nur sehr wenige Studenten, die sich intensiv mit diesen Zusammenhängen befassen – sei es, dass sie einfach nicht die Zeit dazu finden oder dass es ihnen auf gut deutsch gesagt einfach sch… egal ist, was mit dem Bildungssystem und dem Land passiert. Die sogenannte Ellenbogenmentalität schlägt sich letztlich auch in den Köpfen Bahn.
Ich werde es mir jedenfalls auch in Zukunft nicht nehmen lassen, auch einmal für ein paar mehr Wochen auf Reisen zu gehen; als einer der letzten Magister-Studenten der LMU München genieße ich die Möglichkeiten in vollen Zügen, mich intensiv und langfristig mit interessanten Themen auseinanderzusetzen, ohne dabei immer nur den letztendlich Profit und Nutzen aus der Tätigkeit zu ziehen.
Die positivistische Wissenschafts- und Systemgläubigkeit macht mir persönlich Angst, und ich kann an viele nur appellieren, einmal innezuhalten und sich zu fragen, ob dieses ständige „höher, schneller, weiter“-Denken auf Dauer so zuträglich sein kann. Ich bezweifle es jedenfalls stark.
Vor einiger Zeit hat Marietta Slomka mal eine Nachricht so anmoderiert: „Wir leben immer länger, arbeiten länger aber für Bildung haben wir immer weniger Zeit.“
Das fand ich recht treffend
Hi Josty,
das kann man so oder ähnlich sicherlich stehen lassen. Meiner Meinung nach hat die Volksverdummung durchaus System. Wer hat denn schon wirklich Interesse daran, dass das „Volk“ intelligenter wird, wenn man an der Macht ist und viel Geld hat…