Die Weimarer Republik wurde und wird in der Geschichtsforschung oftmals vom Ende her begriffen. Eine wichtige Leitfrage bestimmte die Untersuchungen rund um die Zeit zwischen dem Ende des ersten Weltkriegs 1918 und der Machtübernahme durch Adolf Hitler und die NSDAP im Januar 1933, nämlich: Wie konnte es zur anschließenden Katastrophe kommen?
Die Weimarer Republik wurde damit quasi teleologisch als Zeit begriffen, die zwangsläufig zum dritten Reich führen musste. Dabei wird jedoch anderweitigen kulturellen Entwicklungen nicht immer genügend Aufmerksam zu Teil, denn es ist etwa auch die Rede von den „goldenen Zwanzigern (golden twenties)“, welche in die Ära der Weimarer Republik fallen.
Walter Gropius und das Staatliche Bauhaus
Die Architektur erlebte mit dem „Staatlichen Bauhaus“ weitreichende Innovationen: Walter Gropius rief es 1919 ins Leben, was neue Produktionsformen nach sich zog und Maßstäbe für das „neue Bauen“ setzte.
Klarheit, Helligkeit und Funktionalität mit dem neuen Bauhaus in Dessau. Foto von phogel unter einer CC BY 2.0 Lizenz auf flickr.com.
Diese architektonischen Entwicklungen hängen auch mit sozialpolitischen Veränderungen im betrachteten Zeitraum zusammen: immer mehr Menschen gerieten in Wohnungsnot, weshalb neue Bauformen nötig wurden. Einer der Forscher, die auch das Augenmerk vermehrt auf den Gesamtprozess industriegesellschaftlicher Modernisierung richteten, war Detlev J. K. Peukert. In seinem Buch „Die Weimarer Republik. Krisenjahre der Klassischen Moderne“ betont er die Ambivalenz der Weimarer Republik und thematisiert den Rationalisierungsprozess als Problem, das diverse Milieus entwurzelte und erodierte.
Ein durchaus lesenswertes Buch von Detlev Peukert: Moderne Deutsche Geschichte (MDG). Von der Reformation bis zur Wiedervereinigung: Die Weimarer Republik: Krisenjahre der Klassischen Moderne (edition suhrkamp).
Die soziokulturelle Wende hatte in der Weimarer Zeit ihren Höhepunkt und geriet anschließend in eine folgenschwere Krise. Begrifflich können andere Historiker wie Horst Möller reichlich wenig mit der „Klassischen Moderne“ anfangen; und dennoch hat Peukert mit seinem Ansatz wichtige neue Perspektiven aufgezeigt.
Weimar als Teil des deutschen Sonderwegs
Anhängern der These bzw. Theorie eines „deutschen Sonderwegs“ fernab demokratischer Entwicklungen dürften die Ausführungen von Heinrich August Winkler gelegen sein: er sah ähnlich wie zahlreiche Sozialdemokraten die größte Chance zwischen dem Ausruf der Weimarer Republik und dem 19.1.19, u.a. das Militärwesen republikloyal zu gestalten und die innere Verwaltung zu demokratisieren, was jedoch versäumt wurde; nach Winkler war es evtl. deshalb nicht möglich, eine große Revolution durchzuführen, da die Deutschen eher Verwaltungskontinuität wollten, was objektiv antirevolutionär wirkte.
So gehörten nicht nur einzelne Machteliten, sondern auch große Teile des gebildeten Bürgertums von Anfang an zu den Gegnern der jungen Demokratie – insgesamt konnte nur schwerlich eine demokratische Kultur entstehen, das es sehr häufig Regierungswechsel gab, und das Vertrauen in die Regierungen mehrmals tiefgehend erschüttert wurde – u.a. wegen der Hyperinflation mit dem Höhepunkt im November 1923.
Die Weimarer Republik musste folglich mit einem staatlichen Apparat leben, in dem die überzeugten Republikaner bis zuletzt nur eine kleine Minderheit bildeten. Der Vortrag von Heinrich Winkler zum Thema „Mußte Weimar Scheitern? Das Ende der ersten Republik und die Kontinuität der deutschen Geschichte“ befindet sich hier zur vollen Lektüre auf www.historischeskolleg.de.
Hans Mommsen sieht ebenfalls konservative Funktionseliten erheblich verantwortlich für die Entparlamentarisierung und die Zurückdrängung der organisierten Arbeiterbewegung, was auch dem Nationalsozialismus den Weg ebnete. Die Obrigkeitshörigkeit des Volkes, dessen Wurzeln u.a. auf die Ära Bismarcks zurück geht, war urtümlich monarchisch und damit nicht demokratisch, wobei die Anfänge des sogenannten deutschen Sonderwegs oftmals schon in der frühen Neuzeit verortet werden.
Ein Übergewicht traditioneller autoritärer Bindungen und alter Machteliten ist während der Weimarer Republik wohl durchaus festzustellen, wobei es jedoch fraglich ist, ob es überhaupt einen „normalen Weg in die Moderne“ gab. Zudem ist es nicht unproblematisch und unkritisch, 1933 als einen markanten Zielpunkt zu betrachten, auf den die bisherige deutsche Geschichte in katastrophaler Art und Weise zulief.
In diesem Video des mdr werden interessante Informationen zur Weimarer Republik anschaulich geliefert.
Die Zeit zwischen 1918 und 1933 gilt als eine der besterforschten der deutschen Geschichte, und dennoch sind kontroverse Meinungen und Positionen nach wie vor vorhanden, wenn nicht gar notwendig. Wichtig ist, dass verschiedene Betrachtungsweisen verstanden werden, um zu einem individuellen Forschungsergebnis kommen zu können – so wie es prinzipiell bei fast allen anderen geschichtlichen Themen auch der Fall ist.
Ein ebenfalls erfrischendes Video rund um die Weimarer Republik gibt es übrigens von MrWissen2go, das vor allem für jüngere Interessierte einen ersten Zugang zu dem Thema ermöglicht.